In der Nacht zum 2. März 2020 verstarb der bekannteste DDR-Unterhaltungssänger

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Peter Wieland ist tot. Nur vier Monate vor seinem 90. Geburtstag ist er den Folgen eines Oberschenkelhalsbruches erlegen. Peter Wieland war der bekannteste Unterhaltungssänger der DDR, der sich seine Beliebtheit über die Jahrzehnte hinweg erhalten konnte, ohne eine tiefe Delle hinnehmen zu müssen. Ab 1957 war der klassisch ausgebildete Sänger, der sich nun der Operette, dem Musical, dem Evergreen und dem Schlager zuwandte, Stammgast beim Deutschen Fernsehfunk und im Funkhaus Nalepastraße. In eigentlich allen Unterhaltungssendungen wirkte er mehrfach oder als Stammgast mit – so bei den Dauerbrennern „Zwischen Frühstück und Gänsebraten“, „Da lacht der Bär“, „AMIGA-Cocktail“, „Von Melodie zu Melodie“, „Da liegt Musike drin“, „Treffpunkt Operette“, „Ein Kessel Buntes“, „Mit Lutz und Liebe“, „Viele Lieder kennt der Wind“, „Schlagerrevue“, „Spiel mir eine alte Melodie“, „Im Krug zum grünen Kranze“, „Alte Liebe rostet nicht“ ... Auch für zahlreiche Einzelshows verpflichteten ihn die Redakteure. Kaum ein Quartal ohne Peter Wieland! Mit seiner schönen, unverwechselbaren und kräftigen Stimme, seiner charmanten und der Welt zugewandten Art, seiner aufrechten Haltung war er oft der richtige Mann.

 Auch für Aufgaben als Moderator und Gastgeber. So führte er zu Weihnachten 1969 durch die erste Schlager-Jahresgala „Einmal im Jahr“ des Deutschen Fernsehfunks, trat er gemeinsam mit dem Dirigenten Rolf Kuhl als Gastgeber der 1970 wiederbelebten Sendereihe „Von Melodie zu Melodie“ auf, erhielt er 1971 die Aufgabe einer gemeinsamen Sendung mit seiner Tochter Christine, die ebenfalls Gesang studiert hatte. In den späten 1980er Jahren begleitete er die Zuschauer in der Sendereihe „Heimat, wir grüßen dich“ singend und moderierend in die schönsten Regionen des Landes. Von 1973 bis 1976 lud er auf Radio DDR zur monatlichen „Show in Stereo“ ein. Für das folgenreiche „Showkonzert ’79“ mit Dagmar Frederic, James W. Pulley und dem Manfred Ludwig-Oktett schrieb er die Konzeption und gewann eine der raren Goldmedaillen bei der VI. Leistungsschau der Unterhaltungskunst in der DDR. Das Fernsehen der DDR nahm das Konzert in sein Programm auf und zeigte es auf dem besten Sendeplatz am Sonnabend, dem 14. Juli 1979, um 20 Uhr. Ein Ausnahmefall für nicht vom Fernsehen selbstproduzierte Shows. Mit diesem Showkonzert setzten Dagmar Frederic und Peter Wieland Maßstäbe, was auch von staatlicher Seite honoriert wurde – beispielsweise mit seiner ersten Porträt-Langspielplatte bei AMIGA 1980 und mit dem Nationalpreis der DDR 1981 für Dagmar und ihn.

Dagmar Frederic & Peter Wieland bei ihrem letzten gemeinsamen Auftritt im Rahmen des 10. Bärbel Wachholz-Schlagerfestes am 29. Juni 2019 in Angermünde. Bei knapp 35 °C sangen sie "Melodien von Yesterday".

Die Studios von Rundfunk, Fernsehen und Schallplatte hat – zumindest in der Summe – wohl kein anderer Interpret der DDR so oft betreten wie Peter Wieland. Selbst Frank Schöbel und Fred Frohberg und schon gar keine Rockgruppe dürften ihn übertreffen. „Es passierte immer wieder, daß ich in Sendungen auftauchte oder für Studioaufnahmen verpflichtet wurde, für die ich eigentlich gar nicht vorgesehen war. Wenn aber mal wieder jemand bei dem einen oder anderen Lied zu scheitern drohte, rief man den Wieland an. ‚Der schafft das‘, meinte man. Tatsächlich gelang es mir, immer genau dann die Leistung abzurufen, wenn sie nötig war, wenn es um die Wurst ging, während andere, manchmal talentiertere als ich, in einer Drucksituation scheiterten.“

Der Berliner Friedrichstadtpalast wurde für Peter Wieland beinah zu einem zweiten Zuhause. Bereits 1958 holte der damalige Intendant Gottfried Herrmann den 28-Jährigen für die männliche Hauptrolle in der Revue „Das goldene Prag“ an sein Haus. Es folgten rund 20 Revuen wie „Phantasie in schwarz-weiß“, „Sputniks, Luna und Raketen“, „Ein Engel tritt ins Rampenlicht“, „Expo 73“, „Im Palast zu Gast – Berlin täglich neu“ bis nach der Wende – 2008 übertrug ihm das Haus die Aufgabe für die Moderation der Sommerrevue gemeinsam mit Kim Fisher. Gelegentlich wurde Peter Wieland auch als Schauspieler verpflichtet – so vor der Wende für eine Folge der Silvesterschwank-Reihe „Ferienheim Bergkristall“ und danach für die damals noch junge RTL-Serie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“.

„Ich hatte eigentlich immer Glück in meinem Leben, auch die Wende überstand ich ohne berufliche Delle. Es gab Verpflichtungen in den alten Bundesländern, das mdr-Fernsehen verpflichtete mich für verschiedene Fernsehsendungen – so wirkte ich ab 1992 mehr als 15 Jahre in der Show ‚Weihnachten bei uns‘ mit. Viele Jahre war ich beim Reiseklub für Senioren mit einem Showprogramm in verschiedenen Ländern Europas unterwegs, auch bei den Elblandfestspielen in Wittenberge war ich gefragt – und ich produzierte mehrere Alben“, faßte Peter Wieland die Jahre nach der DDR zusammen. „Nach meinem 80. Geburtstag 2010, den wir mit zwei großen Revue-Veranstaltungen am 7. Juni 2010 feierten, nahm ich nicht mehr jeden Auftrag an und trat meist nur noch auf, wenn ich das unbedingt wollte.“ Häufig bat ihn das mdr-Fernsehen, als Zeitzeuge Auskunft in den Sendereihen „Ein Kessel Buntes mit Wolfgang Lippert“, „Damals war’s“ und „Legenden – Ein Abend für...“. zu geben. So auch in Sachen Bärbel Wachholz, die genau wie er ab 1957 zu den wichtigsten Unterhaltungskünstlern beim Rundfunk und Fernsehen der DDR sowie bei Gastspielen im Ausland avancierte. „Bärbel Wachholz war in ihrer Erscheinung einmalig und das größte Talent, das es nach dem 2. Weltkrieg in ganz Deutschland gegeben hat “, sagte Peter Wieland 2008 in einem Interview anläßlich des 70. Geburtstages seiner 1984 verstorbenen Kollegin. Ein Jahr zuvor hat er aus dem Bärbel Wachholz-Erfolgslied „So wie leise Musik“ ein Duett gemacht, in das er sich 40 Jahre nach der Originalaufnahme hineinkopieren ließ. Als 2010 das Bärbel Wachholz-Schlagerfest in Angermünde ins Leben gerufen wurde, war er dabei. Seit 2015 trat er jedes Jahr auf und ging für beide Schlagerfestalben mit Kollegen ins Studio von Wilfried Peetz. 2016 erschien bei „Jachmanns Musikbibliothek“ ein Album mit seinen Neuaufnahmen der 2000er Jahre. Sein letztes Album zu Lebzeiten. Auch in den Jahren danach entstanden weitere Titel, die postum zu Peter Wielands 90. Geburtstag veröffentlicht werden. Alle diese Lieder sind im Studio von Wilfried Peetz, Groß Köris, entstanden. „Peter Wieland war schon immer einer der bedeutendsten Sänger in unserem Land, so weit ich auch zurückdenke“, sagte Wilfried Peetz, selbst ab 1970 fünf Jahre lang Frontsänger der Theo Schumann-Combo. „Ich war 20, vielleicht auch schon 23 Jahre alt, als ich Peter Wieland das erste Mal in Dresden begegnete, als er dort eine Weile gastierte. Meine Gruppe und ich begleiteten ihn. Damals habe ich ihn nach Hause zum Essen eingeladen, das ich selbst kochte. Ich habe es als große Ehre empfunden, als er die Einladung einnahm. Schon damals erkannte ich, welch freundlicher und herzlicher Mensch er war. In späteren Jahren standen wir noch oft zusammen auf der Bühne. Ab Ende der 1990er Jahre kam er auch immer wieder zu mir ins Studio, um neue Lieder aufzunehmen. Da wurde er schon 70 Jahre alt und machte trotzdem noch den meisten Kollegen am Mikrofon etwas vor. Das war auch mit 80 Jahren und mit 89 Jahren so. Ein weiteres Grundband, das er besingen wollte, hatte ich bereits vorbereitet. Nun kommt es leider nicht mehr zu dieser Produktion.“
Selbst mit 89 Jahren hatte Peter Wieland noch Pläne. „Einige Lieder warten darauf, von mir noch gesungen zu werden.“ Er dachte da an Peter Alexanders „Ich weiß auf der Wied’n ein kleines Hotel“ und Michael Bublés Version des Klassikers „When I fall in love“. „Ja, diese beiden und noch das eine oder andere Lied möchte ich aufnehmen für das CD- und Buchprojekt, das Michael-Peter Jachmann in seiner Reihe ‚Musikbibliothek‘ veröffentlichen möchte. Seit 1957 sind hunderte Aufnahmen entstanden – wir haben bereits eine Vorauswahl getroffen. Dazu kommen die brandneuen Produktionen aus den letzten Jahren.“ Das sagte er wenige Tage vor seinem 89. Geburtstag anläßlich seines Auftritts beim 10. Bärbel Wachholz-Schlagerfest in Angermünde, bei dem er gemeinsam mit Dagmar Frederic die glanzvollen gemeinsamen Bühnenerfolge aus den 1970er und 80er Jahren in Erinnerung rief. Es wurde ihr letzter gemeinsamer Auftritt. Sie sangen noch einmal zwei Medleys, so „Die Melodien von Yesterday“. Eine innige Umarmung beendete den gemeinsamen Auftritt.

Dagmar Frederic war nicht nur von 1972 bis 1983 seine Bühnenkollegin, mit der er zahllose Erfolge erreichte, sie waren auch privat ein Paar, heirateten 1977. Doch 1983 gab es die Scheidung. Dagmar Frederic, zweifellos die erfolgreichste Entertainerin der DDR über die Wende hinweg, sagt über Peter Wieland: „Peter war mein Entdecker, mein Lehrer, mein Geliebter, mein Ehemann und viele Jahre mein Freund. Diese Worte sagen alles! Ich verdanke ihm sehr viel; er hat mich nicht nur als Sängerin geprägt, sondern auch als Frau.“

Ralf Sauer, so Peter Wielands bürgerlicher Name, wurde am 6. Juli 1930 in Stralsund als das älteste von fünf Kindern geboren. Die meiste Zeit seiner Kindheit wuchs er in Stettin auf, sein Vater kehrte aus dem 2. Weltkrieg nicht zurück. Die Familie verschlug es nach Köthen, wo Ralf Sauer eine Zimmermannslehre absolvierte, sich dann dem Kaufmannsberuf zuwandte und mit seiner Stimme im Kirchenchor auffiel. 1951 heiratete er eine Kollegin aus dem Chor, 1952 kam Tochter Christine zur Welt und 1958 folgte Tochter Nummer 2, Sabine. Von 1950 bis 1955 studierte Ralf Sauer an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin, erhielt eine Ausbildung als Opernsänger, als lyrischer Bariton. Bereits 1954 bekam er die Freigabe für das Theater in Neustrelitz. Doch die Theaterlaufbahn bot ihm auf Dauer zu wenig Entfaltung. Doch er erkannte er rasch die Möglichkeiten, die der große Bereich der Unterhaltungsmusik bot, wo es an gut ausgebildeten Sängern mangelte. 1957 verpflichtete ihn der Rundfunk. Bei einer der ersten Aufnahmen sagte ein Redakteur, Ralf Sauer brauche einen Künstlernamen. Sauer gebe es schon, Wolfgang Sauer. Ein Telefonbuch half bei der erfolgreichen Suche – die Wahl fiel auf Peter Wieland. Dominierten in seinem Repertoire anfangs Schlager- und Operettenlieder, kam bald das Musical hinzu, dem er sich mit aller Kraft widmete. Er wirkte an mehreren Theatern in Musicals mit, wurde zudem immer wieder von Rundfunk und Fernsehen für Sendungen verpflichtet. AMIGA quittierte den Wandel hin zum Unterhaltungssänger und beendete die Veröffentlichungen von Schlager-Singles. Doch immer häufiger erschien sein Name auf Unterhaltungsschallplatten von AMIGA. Niemand in der DDR war als Sänger auf so vielen Musicalschallplatten vertreten wie er.
Ab Ende der 1960er Jahre verpflichtete ihn die Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ als Gesangspädagogen. Zahlreiche Gastspielreisen mit dem Tanzstreichorchester des Deutschlandsenders, ab 1972 Rundfunk-Tanzstreichorchester Berlin, führten ihn in viele Länder. Besonders erfolgreiche Tourneen gab es in die Sowjetunion und nach Rumänien.

Im November 2019 war der immer noch aktive Sänger in seiner Wohnung schwer gestürzt und wurde sofort operiert. Anfang des Jahres schien er sich zu stabilisieren und auf dem besten Wege, im Laufe des Frühjahrs in sein hübsches Häuschen in Französisch Buchholz, einem Ortsteil von Berlin-Pankow, zurückkehren zu können. Doch dann der Rückschlag am 18. Februar, beginnendes Organversagen im geschwächten Körper. In der Nacht zum 2. März ist Peter Wieland für immer eingeschlafen.

Einige der bekanntesten Lieder von Peter Wieland: „Abends an der Moskwa“ (AMIGA-Version „Wenn es Abend wird“), „Seemannsweihnacht“, „Weißer Winterwald“, „Chant sans paroles“, „Vati, hast du mir was mitgebracht“ (mit Tochter Christine) „Du bist aus Paris“ (mit Nicole Felix), „Don diri don“, „Komm vorbei“ (mit Tochter Christine), „Der alte Wolf“, „Alles, was du kannst“ (mit Bärbel Wachholz), „In der Straße wohnst du“ (My fair Lady), „Der herrlichste Beruf der Welt“,